Baby Led Weaning: Sinnvolle Alternative oder gefährlicher Trend?
Sobald das Baby von der Brust oder Flasche entwöhnt wird, taucht für alle Eltern die Frage auf, mit welchem Lebensmittel und in welcher Geschwindigkeit die Beikost begonnen und fortgeführt werden soll. Baby Led Weaning ist ein neuer Trend, wobei dem am Essen interessierten Baby von Anfang an stückige Nahrung angeboten wird.

Beikoststart und Breiverweigerung
Die meisten Eltern entscheiden sich für ein gut verträgliches Gemüse in Form eines Breis. Der Plan sieht dann oft vor, wöchentlich die angebotene Breimenge zu steigern und langsam neue Lebensmittel einzuführen, um das Verdauungssystem des Babys umzustellen. Nach und nach sollen so die Milchmahlzeiten durch Breimahlzeiten ersetzt werden.
Was aber, wenn das Baby auch nach Wochen des Ausprobierens jeden angebotenen Brei verweigert? Dann ist die Verzweiflung groß, denn ein Baby ist schließlich keine Stopfgans und auch kein Automat. Manche Babys pressen schon beim Anblick eines sich nähernden Löffelchens den Mund fest zusammen, weigern sich, sich von der Milch zu lösen. Woran liegt das?
Der Grund kann sein, dass das Baby einfach noch nicht reif für den Beikoststart ist. Dass manche Babys erst mit guten acht Monaten anfangen zu essen, ist völlig normal und kein Grund zur Sorge, solange sie noch genügend Milch zu sich nehmen und die Verdauung normal ist.
Was aber oft hinter der Breiverweigerung steckt ist eine ganz banale Sache: Das Baby mag einfach keinen Brei. Einige Beikostbeginner ekeln sich einfach vor Brei und wollen „richtiges" Essen zum Anfassen. Aber auch bei Babys, die sich eigentlich mit Brei abfinden oder ihn sogar mögen würden, entscheiden sich Eltern für eine alternative, aber auch umstrittene Methode: Das Baby Led Weaning.
Definition: Was ist Baby Led Weaning und wie funktioniert es?

Bei dieser aus den England stammenden Methode wird dem am Essen interessierten Baby von Anfang an stückige Nahrung angeboten.
Gemüse, Kartoffeln oder Reis, Nudeln, Fleisch und Obst werden roh in handliche Stücke geschnitten, gekocht oder dampfgegart und dem Baby wird eine breite Palette an Nahrungsmitteln für die eigene Auswahl angeboten.
Der theoretische Ansatz ist der, dass das Baby selbst ausprobieren können soll, was ihm schmeckt und was es an Nährstoffen benötigt.
Grundsätzlich wird das Baby nicht gefüttert oder in irgendeiner Weise zum Essen genötigt, sondern es darf mit den Händen selbst die angebotenen Stücke vom Tischchen greifen.
Auch den Startpunkt für das Essen fester Nahrung gibt das Baby vor und nicht sein Alter oder eine Empfehlung von außerhalb.
Der Ablauf von Baby Led Weaning
Zunächst wird das Baby nur mit den lustigen Gegenständen spielen, sie zermatschen und aufgrund des natürlichen Programms in den Mund stecken.
Die Entdeckung, dass man diese bunten Dinger zerkauen, auslutschen oder herunterschlucken kann, kommt dann automatisch durch das Ausprobieren.
Auf langwieriges einzelnes Einführen von jeweils nur einem Lebensmittel und das separate Kochen fürs Baby wird hier verzichtet. Es soll von Anfang an entdecken können, dass es verschiedene Geschmäcker gibt.
Das haptische Erleben und Spielen steht bei dieser Methode im Vordergrund, nicht die Nahrungsaufnahme. Diese Funktion entdeckt das Kind erst viel später.
Zunächst werden also sehr kleine Mengen des festen Essens tatsächlich im kleinen Bäuchlein landen. Sobald das Baby aber feinmotorisch und von der Entwicklung her soweit ist, reduziert sich automatisch die aufgenommene Milchmenge.
Diese Methode kann länger andauern, als die Einführung von Breimahlzeiten, wenn das Baby ungeduldig ist oder einfach lange nicht auf die Idee kommt, seinen Hunger an fester Nahrung zu stillen.
Manche Babys sind jedoch so versessen auf echtes Essen, dass sie nach kürzester Zeit die Brust oder Flasche ablehnen und sich mit Genuss einem herzhaften Mittagessen vom Tisch zuwenden.
Baby Led Weaning: Die Vorteile

Bei dieser Methode steht das ganzheitliche Erleben von Oberflächen, Konsistenzen und Geschmäckern im Vordergrund.
Desweiteren entwickeln Babys durch Baby Led Weaning ein sehr großes feinmotorisches Geschick. Oft findet man im Internet Videos von Babys im achten Monat, die mit Baby Led Weaning entwöhnt wurden und selbst Erbsen und Reiskörner mit den kleinen Fingerchen auflesen und dabei sauberer essen, als manch anderthalb Jahre altes Kind, das mit dem Löffel gefüttert wird.
Nachteile und Kritik
Verfechter dieser Entwöhnungsmethode argumentieren, dass vor der Einführung von Breikost das Baby Led Weaning eigentlich die natürliche Form der Entwöhnung von der Muttermilch gewesen sei. Das Baby orientiert sich daran, was die anderen Familienmitglieder tun und bekundet irgendwann im Verlauf des ersten Lebensjahres Interesse daran, sich anzuschließen. Das Entwöhnen beruht also auf dem Lernen durch Nachahmung. Es wird aufgrund natürlicher Neugier nach dem Essen der Erwachsenen greifen und es in den Mund stecken. Dies ist ein natürlicher Entwicklungsschritt, den das Baby macht, und muss nicht durch die Eltern angeleitet werden. Daher wird hier auch nicht die starre Altersempfehlung, die Ärzte häufig angeben, als Voraussetzung für den Beikoststart angenommen. Die Beikosteinführung beginnt eher zufällig und wird durch die Eltern später lediglich dadurch unterstützt, dass eine möglichst große Vielfalt an Nahrungsmitteln angeboten wird.
In der Kritik steht diese Methode jedoch wegen verschiedener Gefahren, die einige Hebammen, Ärzte und auch Eltern darin sehen.
Erstickungsgefahr
Das Baby könnte sich an zu großen Bissen verschlucken und Erstickungszustände könnten lebensgefährlich werden.
Dies ist auch beim Beikoststart mit Brei nicht auszuschließen, ein festes Nahrungsstück kann sich aber in der Luftröhre leichter verkeilen und lebensgefährlich werden.
Generell sollten Babys niemals alleine mit Nahrung gelassen werden. Mindestens eine erwachsene Person muss sich immer im gleichen Raum aufhalten und seine Aufmerksamkeit auf das Baby gerichtet halten, um im Notfall schnell reagieren zu können.
Wer sich dies nicht zutraut, sollte über einen Erste-Hilfe-Kurs für Babys und Kleinkinder nachdenken, denn auch ohne Baby Led Weaning sollten Eltern immer wissen, was bei akuter Atemnot bei Baby oder Kind zu tun ist.
Geduld und Ruhe
Unumstritten ist, dass Eltern für das Baby Led Weaning genügend Geduld und Ruhe sowie innere Stärke haben müssen, um nicht unsicher zu werden, wenn andere Babys schon mehrere Breimahlzeiten zu sich nehmen.
Ausreichend Nährstoffe
Besonderes Augenmerk wird bei der Einführung von Breimahlzeiten auf die richtige Nährstoffversorgung gelegt. Verschiedene Öle, Nahrungsmittel mit viel Eiweiß , Eisen usw. werden nach einem ausgeklügelten Plan in die Breie eingearbeitet, um alle wichtigen Nährstoffe zuzuführen.
Beim Baby Led Weaning, so die Kritiker, sei diese Versorgung vielleicht gefährdet. Dem setzen die Befürworter entgegen, dass das Baby zusätzlich zur Beikost weiterhin in ausreichendem Maß gestillt wird oder Flaschenmilch erhält, die ebenfalls alle notwendigen Stoffe enthalten.
Wem die Nährstoffversorgung beim Baby Led Weaning dennoch in Gefahr erscheint, der kann die gekochten Nahrungsmittel beispielsweise mit Öl beträufeln und so die Bestandteile eines Breis auch bei fester Nahrung hinzufügen. Hier ist vielleicht ein wenig Kreativität gefragt.
Tipps für Baby Led Weaning

Interesse am Essen
Eltern sollten darauf achten, ob das Baby von ihrem Schoß aus, nach Essen auf dem Teller greift. Sofern es sich nicht um kochend heiße oder scharfe Speisen handelt, kann man dies ruhig geschehen und das Baby probieren lassen. Stellt man dann fest, dass das Baby Spaß am Essen hat und sich immer wieder dafür interessiert, können ihm im Hochstühlchen während der Familienmahlzeit ebenfalls gekochtes oder gedünstetes Gemüse, Kartoffeln, auch Fleisch usw. angeboten werden - am besten eine breite Auswahl an Nahrungsmitteln in einer nicht zu heißen Temperatur auf dem Tischchen.
Auf Spinat, scharfe Gewürze und Honig verzichten
Lediglich für Spinat (führt bei Kindern unter anderthalb Jahren oft zu Erbrechen und Bauchschmerzen wegen der enthaltenen Oxalsäure) und zu scharf gewürzte Speisen sowie Honig (darf erst ab zwei Jahren gegeben werden, wegen möglicherweise enthaltener Clostridien) sollten keine Angebote gemacht werden.
Weitere Tipps
- Besorgen sie sich eine große Wachstuchtischdecke, die Sie unter das Hochstühlchen legen. So lässt sich das Schlachtfeld später leichter reinigen.
- Bleiben Sie immer mit dem Baby im Raum, damit Sie reagieren können, falls es sich verschluckt hat.
- Lassen Sie nun das Baby gewähren und stillen Sie weiter bzw. geben Sie weiter die Flasche, solange das Baby dies will. Bleiben Sie geduldig dabei, der Erfolg stellt sich von selbst ein.
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